Vorsorgevollmacht – die rechtliche Basis fürs Kümmern

Mein Onkel lebt in einem beschaulichen Städtchen an der Nordsee. Mein Vater ist sein jüngerer Bruder. Über einen besorgten Freund meines Onkels hat mein Vater einen Tipp bekommen: Der Ü-80-Jährige ist offenbar überfordert und kommt allein in seinem Alltag nicht mehr richtig zurecht. Es gibt eine Vielzahl unbezahlter Rechnungen und Mahnungen. Und es gibt noch viel mehr bunte Schreiben von Glücksspiel-Anbietern, Goldmünzen-Verkäufern und Gesundheitsmittel-Firmen. Ein Großteil der Post ist ungeöffnet. Das sieht nach einem großen Durcheinander aus. Die Wohnung selber braucht dringend einen Frühjahrsputz.

 

Mein Vater lebt in Süddeutschland. Er kommt mich in Hamburg besuchen, bevor er zu seinem großen Bruder weiterfährt. Ich habe beschlossen, dass ich den Feiertag vom 1. Mai 2015 nutzen werde, um auch in das Nordseestädtchen zu fahren. Vor diesem Besuch haben mein Vater und ich vereinbart, dass wir „richtig hinschauen“ werden. Was dieses „richtig hinschauen“ bedeutet, wird mir erst im Verlauf des folgenden Jahres bewusst werden.

Vorsorgevollmacht umfasst alle Lebensbereiche

Bevor ich zu meinem Onkel fahre, surfe ich im Netz. Denn wenn wir ihn bei seiner Post und darüber hinaus unterstützen wollen, dann geht das – auch wenn wir Familie sind – nur mit einer Vorsorgevollmacht, in der uns mein Onkel das Recht dazu erteilt. Nach einigem Suchen, stoße ich auf der Seite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz auf einen Vordruck für eine Vorsorgevollmacht (download). In der Broschüre "Betreuungsrecht" (download) klärt das Ministerium über die Bedeutung einer Vorsorgevollmacht auf (ab Seite 30). Zur Frage, ob eine Vollmacht oder eine Betreuungsverfügung zu bevorzugen sei, sprechen sich die Experten für eine Vorsorgevollmacht aus, sofern ein vollständiges Vertrauensverhältnis zwischen den Personen vorliegt. Denn durch eine Vollmacht vermeide man das gerichtliche Verfahren, das mit einer Betreuerbestellung verbunden sei. Was ist nun der Inhalt einer Vorsorgevollmacht? Auf Seite 37 der Broschüre wird beispielsweise erklärt, dass der Bevollmächtigte über medizinische Maßnahmen entscheiden kann, sofern der Vollmachtgeber nicht mehr selber einwilligungsfähig ist. Das erscheint mir immens wichtig, denn wer weiß schon, wie sich die Gesundheit meines Onkels entwickelt und ob er entscheidungsfähig bleibt? In der Vollmacht wird unter dem Passus "Behörden"  festgehalten, dass der Bevollmächtigte den Vollmachtgeber bei allen Behörden, Versicherungen und Ämtern vertreten kann. Es kann in der Vollmacht weiterhin entschieden werden, ob der Bevollmächtigte den Vollmachtgeber rechtlich vor Gerichten vertreten darf und das Postgeheimnis kann aufgehoben werden, damit der Bevollmächtigte sich um die Post kümmern kann. Unter dem Punkt zur Vermögenssorge geht es um die Möglichkeit, das Vermögen verwalten und  Verbindlichkeiten eingehen zu können. Für mich ist das sehr wichtig, da es später darum geht, mit einem Pflegedienst einen Vertrag über die Höhe der Leistungen abzuschließen. Für die Bankangelegenheiten wird vom Bundesjustizministerium zusätzlich eine Bankvollmacht empfohlen. Dafür bietet das Bundesjustizministerium auch einen Vordruck "Vordruck „Konto- / Depotvollmacht – Vorsorgevollmacht“ (download) (Anlage B in der Broschüre). Die Vorsorgevollmacht sollte über den Tod hinaus gelten. Das ist laut Ministerium empfehlenswert, wenn es später beispielsweise darum geht, die Wohnung aufzulösen oder bestehende Verträge zu kündigen (siehe S. 40 der Broschüre). Alles in allem eine sehr hohe Verantwortung, die man mit der Unterzeichnung einer solchen Vollmacht eingeht. Und ein großer Vertrauensbeweis, wer die Verantwortung für sein eigenes Leben überträgt.

Wird mein Onkel zustimmen?

Mit diesem 4-seitigen kompliziert-juristischem Schreiben mache ich mich auf den Weg zu meinem Onkel. Ich habe mir für diesen Tag tatsächlich zwei Dinge vorgenommen: Ich möchte sein Einverständnis für die Vorsorgevollmacht und sein OK für eine Putzfrau. Auf seinem Esstisch und den Stühlen stapelt sich die ungeöffnete Post. Das ist ein guter Anlass: Wenn ich ihm bei der Beantwortung helfen soll, brauche ich seine Vollmacht. Das leuchtet ihm ein und wir lesen gemeinsam die Vorsorgevollmacht durch. Es ist mir sehr wichtig, dass mein Onkel alles versteht, ich ihn nicht überrede, sondern dass er selber entscheidet. Nach dem ersten Durchgang lesen wir die Vorsorgevollmacht noch einmal. „Kleingedrucktes“ liest er immer mit einer großen Lupe. Bei jedem einzelnen Punkt der Vollmacht, den mein Onkel mit „Ja“ ankreuzt, sagt er vorher „Ja klar“. Er scheint dankbar und extrem erleichtert, dass er jetzt Unterstützung bekommt. Und auch dass wir eine Hauswirtschafterin suchen, findet er gut. Der Onkel, mein Vater und ich, wir sind alle schwer erleichtert. Ich fahre abends wieder nach Hause, mit der Vorsorgevollmacht, zwei Jutetaschen voller Post und der Aufgabe eine Putzfrau zu suchen.

Registrierung der Vorsorgevollmacht verhindert gesetzliche Betreuung

Im Übrigen kann man seine Vorsorgevollmacht im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registrieren lassen. Damit können also laut Bundesnotarkammer erteilte Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen im Ernstfall rechtssicher aufgefunden und eine gesetzliche Betreuung vermieden werden. Sollte ein Mensch also plötzlich zu einem Betreuungsfall werden, so fragt das Betreuungsgericht dort elektronisch ab, ob dieser Mensch eine Vertrauensperson mit einer Vorsorgevollmacht betraut hat, sich um ihn zu kümmern. Ende letzten Jahres waren bereits drei Millionen Vorsorgeverfügungen registriert. Alleine von 200.000 Anfragen durch Betreuungsgerichte konnte jede zehnte positiv beantwortet werden. Das sind doch spannende Zahlen!
Im Übrigen führt die Bundesnotarkammer das Vorsorgeregister im gesetzlichen Auftrag und unter der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.

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Kommentare: 1
  • #1

    Eva G. (Freitag, 05 Mai 2017 20:09)

    Ein sehr wertvoller Beitrag!